Fakultät für Philosophie, Wissenschaftstheorie und Religionswissenschaft
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Lehr- und Forschungsbereich des Lehrstuhls für Wissenschaftstheorie

Die philosophischen Fragen und Themen, mit denen sich unser Lehrstuhl auseinandersetzt, sind vielfältig. Wir forschen und lehren zur Erkenntnistheorie, Methodologie, Semantik und Metaphysik der Wissenschaften. Konkret bedeutet dies, dass wir uns zum Beispiel mit den folgenden Fragen beschäftigen:

  • Der Begriff der Wahrscheinlichkeit und dessen Anwendungen: Wie funktioniert statistisches und probabilistisches Schließen in wissenschaftlichen Kontexten? Was genau sind eigentlich die Wahrscheinlichkeiten, von denen bei diesen Schlüssen die Rede ist? Sind sie objektive Tatsachen in der Welt (wie z.B. Häufigkeiten) oder ein subjektiver Ausdruck unseres Unwissens? Was für Arten von Wahrscheinlichkeiten gibt es (z.B. präzise und unpräzise Wahrscheinlichkeiten)? Welche Aspekte des Lernens durch Erfahrung können wir mit Hilfe des Begriffs der Wahrscheinlichkeit besser erfassen? Lassen sich deduktiv gültige Argumente und die Semantik von Konditionalen probabilistisch modellieren? In welchem Verhältnis stehen deskriptive und normative Theorien des Schließens und Argumentierens?
  • Bestätigung und Evidenz: Was heißt es und was sollten wir darunter verstehen, dass eine wissenschaftliche Theorie gut (oder schlecht) bestätigt ist? Gibt es sowohl empirische als auch „nicht-empirische“ Arten der Bestätigung? Ist empirische Bestätigung durch sog. analoge Simulationen im Labor möglich? Wie sollen wir den Begriff der Zuverlässigkeit genau verstehen? Was zeichnet gute Evidenz aus? Wie hängen Evidenz und Objektivität zusammen?
  • Theorien, Modelle, Analogien: Wissenschaftler/innen stellen typischerweise Theorie und Modelle auf – aber was sind wissenschaftliche Theorie und Modelle? Wie lässt sich die Struktur, Semantik und Ontologie wissenschaftlicher Theorien am Besten beschreiben? Welche Rolle spielen Symmetrien in Theorien? Was bedeutet es, dass zwei Theorien äquivalent sind? Lassen sich die Beziehungen zwischen Theorien sinnvoll als Reduktionsbeziehungen verstehen? In welchen Beziehungen stehen verschiedene Theorien und Modelle? Sollten wir Realisten oder Anti-Realisten in Bezug auf Theorien und Modelle sein? Welche Informationen können wir aus sog. toy models (d.h. stark idealisierten und vereinfachenden Modellen) ziehen? Welche Probleme werfen mathematische Analogien auf, wenn z.B. die Statistische Mechanik dazu benutzt wird, um Finanzmärkte zu modellieren?
  • Simulationen in Wissenschaft und Philosophie: Welche Art von Wissen erlangen Wissenschaftler/innen durch Simulationen (zum Beispiel durch Simulationen des Klimas)? Ist dieses Wissen vergleichbar mit den Resultaten von Experimenten? Wie unterscheidet sich das Wissen, das Wissenschaftler/innen durch Computersimulationen und sog. analoge Simulationen gewinnen? Können wir Simulationen auch als Werkzeug benutzen, um Fragen in der Philosophie (z.B. in der sozialen Erkenntnistheorie) zu beantworten?
  • Kausalität und Erklärungen: Wie sollten wir den Kausalitäts- und Erklärungsbegriff in den Wissenschaften interpretieren? Mit welchen Methoden kann man zuverlässig Ursachen entdecken? Wie kann man nicht-kausale Beziehungen (z.B. konstitutive und Supervenienzrelationen) in kausalen Modellen darstellen? Wie hängen Erklärungen und Kausalität miteinander zusammen? Wie können wir die unterschiedlichen Stärken von Erklärungen präzise explizieren? Gibt es auch nicht-kausale Erklärungen – wenn ja, welche philosophischen Implikationen hat das? Welche ontologischen Schlüsse darf man aus erfolgreichen Erklärungen ziehen (indispensability arguments)?
  • Entscheidungstheorie: Wie lässt sich die klassische Entscheidungstheorie verallgemeinern, dass sie auch in Kontexten anwendbar ist, in denen Agenten ihren epistemischen Zustand durch unpräzise Wahrscheinlichkeiten repräsentieren? Wie können Gruppen-Entscheidungsprozesse modelliert werden? Was sind die Vor- und Nachteile von Gruppen-Deliberationen? Wie können die Nachteile von Gruppen-Deliberationen durch geschickte prozedurale Vorgaben abgeschwächt werden?

Die Mitarbeiter/innen unseres Lehrstuhls beantworten diese (und viele weitere) philosophische Fragen mit individuell unterschiedlichen und sich ergänzenden Zielsetzungen wie den folgenden: Einige unserer Projekt haben das Ziel, Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen mehreren wissenschaftlichen Disziplinen zu verstehen (Ist es z.B. sinnvoll in der Physik und in den Wirtschaftswissenschaften von Theorien zu sprechen? Findet der Kausalitäts- und Erklärungsbegriff in allen wissenschaftlichen Disziplinen Anwendung?). Diese Zielsetzung kennzeichnet den Bereich der allgemeinen Wissenschaftstheorie.

Der philosophische Fokus kann aber auch auf einer ganz bestimmten Disziplin, einer bestimmten Theorie oder einem spezifischen Modell liegen (z.B. der Begriffe von Raum und Zeit in der Quantengravitationstheorie, Wahrscheinlichkeit und Reduktion in der statistischen Mechanik, die Probleme der Bestätigung der Stringtheorie, spezielle Probleme des Wahrscheinlichkeitsbegriffs in der Evolutionstheorie, die Interpretation der Idealisierungen im Rahmen des Lotka-Volterra Models, usw.). Diese Ausrichtung ist typisch für die spezielle Wissenschaftstheorie. Unser Schwerpunkt in Forschung und Lehre in diesem Bereich liegen insbesondere auf der Philosophie der Physik (bzw. den sog. foundations of physics), der Philosophie der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, der Psychologie, der Statistik und der Computerwissenschaften. Unserer Auffassung nach ist das richtige Zusammenspiel von allgemeiner und spezieller Wissenschaftstheorie notwendig für eine zugleich wissenschaftsnahe und philosophisch gehaltvolle Wissenschaftstheorie.

Unser Lehrstuhl verfolgt bewusst eine Vielfalt und sich ergänzende Kombination von methodischen Zugängen zu philosophischen Problemen und Fragestellungen. Zu diesen Methoden zählen u.a. die folgenden:

  • Deskriptiv orientierte Forschungsprojekte, deren Aufgabe vorwiegend in einer genauen Beschreibung und der begrifflichen Analyse von Fallstudien wissenschaftlicher Theoriebildung und Praxis bestehen;
  • Formale orientierte Zugänge, die z.B. Wahrscheinlichkeitstheorie und agent-based modeling benutzen, um philosophische Fragen zu beantworten und deren Ziel häufig deskriptiv und normativ zugleich ist;
  • Der Import empirischer Methoden aus den Wissenschaften, die z.B. auf psychologischen Experimente und dem Einsatz von Computersimulationen zur Lösung von philosophischen Problemen basieren.