Lehrveranstaltungen Wintersemester 2015/2016
Lektürekurs
Sokrates im Gefängnis: Platons „Kriton“ und „Phaidon“
Do. 12:00 bis 14:00 c.t. woch 15.10.2015 bis 04.02.2016 Geschw.-Scholl-Pl. 1 (M) - M 203
Im Jahre 399 v. Chr. wurde Sokrates von einem athenischen Gericht wegen Gottlosigkeit und verderblichen Einflusses auf die Jugend zum Tode verurteilt und hingerichtet. Platons Dialoge „Kriton“ und „Phaidon“ spielen während der letzten Lebenstage des Sokrates; sie stellen fiktive Gespräche dar, die Sokrates mit seinen Freunden und Schülern im Gefängnis führt. Im „Kriton“ versucht der gleichnamige Freund des Sokrates, ihn zur Flucht zu überreden. Sokrates hingegen besteht darauf, im Gefängnis zu bleiben und die Todesstrafe furchtlos anzunehmen, selbst wenn sie ungerechterweise verhängt wurde. Es geht also um Themen wie Loyalität zum Staat, zivilen Ungehorsam und persönliche Integrität. Im „Phaidon“ verbringt Sokrates seine letzten Lebensstunden damit, mit seinen Freunden über die Unsterblichkeit der Seele zu diskutieren, bevor er schließlich in ihrem Beisein den Schierlingsbecher leert. In diesem zentralen Dialog begegnen uns zwei Themen, die nicht nur für Platons Schaffen, sondern auch für die Philosophiegeschichte überhaupt von weitreichender Bedeutung sind: die dualistische Unterscheidung von Leib und Seele sowie die Lehre von den unveränderlichen, unabhängig existierenden „Ideen“.
Außerdem haben beide Dialoge maßgeblich das Bild des Sokrates als eines Menschen geprägt, der das geistige Leben über weltlichen Erfolg stellt, der seinen Überzeugungen folgt und unabwendbare Übel mit Gelassenheit erträgt — ein Bild, das zu einer Art „Urbild“ des Philosophen schlechthin werden und philosophie- und geistesgeschichtlich großen Einfluss entwickeln sollte.
Neben der inhaltlichen Einführung zu einem (bzw. zwei) der wichtigsten Denker der Philosophiegeschichte sowie einigen zeitlosen philosophischen Fragen soll der Lektürekurs auch dazu dienen, den Umgang mit philosophischen Texten zu erlernen und das Formulieren von Fragen und Argumenten in der Diskussion zu üben.
Literatur: Textgrundlage: Beide Dialoge sind enthalten in:
Platon, „Apologie — Kriton — Phaidon“, übersetzt von Rudolf Rufener, De Gruyter, Berlin 2011.
Leistungsnachweis:
1 Essay
Muss zwischen dem 21.9. und dem 06.10.2015 über das LSF-System priorisiert belegt werden.
Fortgeschrittenenseminar
Al-Fārābīs Lehre vom Intellekt
Mi. 14:00 bis 16:00 c.t. woch 14.10.2015 bis 03.02.2016 Geschw.-Scholl-Pl. 1 (E) - E 212
In der Philosophie des Abū Naṣr al-Fārābī (ca. 870-950 n. Chr.) kommt dem Begriff des „Intellekts“ in mehrfacher Hinsicht zentrale Bedeutung zu. Nicht nur ist er das Vermögen, das den Menschen im Besonderen auszeichnet, da er ihn als einziges Lebewesen zum Denken befähigt; auch das oberste Seinsprinzip, „das Erste“, ist selbst Intellekt und steht an der Spitze einer Reihe von himmlischen Intellekten, die die Grundstruktur der kosmischen Ordnung bilden.
In seiner Schrift „Über den Intellekt“, der als primäre Textgrundlage des Seminars dienen wird, geht al-Fārābī der Frage nach, auf welche unterschiedlichen Arten das Wort „Intellekt“ gebraucht wird. Der allgemeine Sprachgebrauch wird dabei ebenso einer Betrachtung unterzogen wie derjenige der zeitgenössischen muslimischen Theologen. Vor allem aber bezieht sich al-Fārābī auf die Intellektlehre des Aristoteles. Er greift die Diskussion auf, die sich an dessen kryptischen Aussagen über den „aktiven Intellekt“ („De Anima“ III.5) entzündet hatte, und entwickelt im Rahmen einer Interpretation des Aristoteles seine eigenen Gedanken zur Intellektlehre.
Neben dem relativ kurzen Traktat „Über den Intellekt“ werden ergänzend auch andere thematisch relevante Texte al-Fārābīs hinzugezogen werden. Weiterhin werden wir den Voraussetzungen von al-Fārābīs Intellektlehre in der aristotelischen Philosophie, in der spätantiken Kommentartradition und bei seinem Vorgänger al-Kindī nachgehen. So soll eine umfassende und tiefgehende Kenntnis der Intellektlehre al-Fārābīs und der mit ihr verbundenen Fragen und Probleme vermittelt werden und zugleich eine solide Einführung in das Denken dieses bedeutenden Vertreters der arabisch-islamischen Philosophie in seinem historischen Kontext gegeben werden.
Von den Seminarteilnehmern wird aktive Mitarbeit und die Übernahme eines Referates erwartet, sowie die Bereitschaft, Primär- und Sekundärliteratur auch auf Englisch zu lesen.
Literatur:
Textgrundlage:
Abū Naṣr al-Fārābī, „On the Intellect“, in „Classical Arabic Philosophy. An Anthology of Sources“, Translated with Introduction, Notes, and Glossary by Jon McGinnis and David C. Reisman, Indianapolis/Cambridge 2007, S. 68–78.
Einführende Sekundärliteratur:
Islamische Philosophie im Mittelalter. Ein Handbuch, hrsg. von Heidrun Eichner, Matthias Perkams und Christian Schäfer, Darmstadt 2013. Insbesondere Kap. 6: Cleophea Ferrari, ‘Al-Fārābī und der arabische Aristotelismus’.
Ulrich Rudolph, ‘Abū Naṣr al-Fārābī’, in: Philosophie in der islamischen Welt, Bd. 1: 8.-10. Jahrhundert, hrsg. von Ulrich Rudolph unter Mitarbeit von Renate Würsch (Grundriss der Geschichte der Philosophie, Abt. 8.1), Basel 2012, S. 363-457.
Weitere Literaturangaben werden zu Beginn des Seminars bekanntgegeben.
Voraussetzungen:Vorkenntnisse in antiker Philosophie (insbesondere Aristoteles) sind hilfreich. Arabischkenntnisse werden nicht vorausgesetzt.
Leistungsnachweis: Referat mit ausführlicher Ausarbeitung oder Hausarbeit.
Anmeldung: Eine LSF-Belegung oder sonstige Voranmeldung ist nicht erforderlich.
Übung
Philosophisches Arabisch: Al-Fārābī, „Fī l-ʿaql“ („Über den Intellekt“)
Mi. 10:00 bis 12:00 c.t. woch 14.10.2015 bis 03.02.2016 Geschw.-Scholl-Pl. 1 (E) - E 212
Al-Fārābīs Schrift „Fī l-ʿaql“ („Über den Intellekt“) wird im arabischen Original gelesen. Die Übung ist nicht nur für Teilnehmer des Fortgeschrittenenseminars „Al-Fārābīs Lehre vom Intellekt“ gedacht, sondern steht allen Interessenten offen, die sich im Lesen arabischer philosophischer Texte üben wollen.
Literatur: Textgrundlage: Al-Fārābī, „Risāla fī l-ʿaql“, hg. von Maurice Bouyges, Beirut 1938.
Voraussetzungen: Grundkenntnisse des Arabischen