Fakultät für Philosophie, Wissenschaftstheorie und Religionswissenschaft
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Forschungsprojekt zu Schellings spätestem philosophischen System

Prof. Dr. Thomas Buchheim, LMU München
Prof. Dr. Friedrich Hermanni, Eberhard Karls Universität Tübingen

Schellings späteste Vorlesungen zur Philosophie der Mythologie und Offenbarung, den zugehörigen Einleitungen und gewisse begleitende Vorträgen und Entwürfe (wie z.B. die Darstellung des Naturprozesses von 1843) bilden einen philosophischen Brocken von größtem gedanklichen Gewicht und systematischer Ausstrahlung am Ende des deutschen Idealismus bis hinein in die Philosophie des 20. Jahrhunderts.

Die Erforschung dieses ‚Brockens’ deutscher Philosophie, dessen ganzes Potential und Interesse für weltweit geführte philosophische und auch theologische Debatten noch weithin unerschlossen ist, steckt seit Jahrzehnten in einer Sackgasse fest, weil gerade an den besonders sensiblen Angelpunkten der Argumentation keine in ihrer Zuverlässigkeit und Buchstabentreue genügend belastbaren Texte vorhanden sind. Die Ausgabe des späten Systems durch Schellings Sohn bedarf einer gründlichen Revision und durchgängigen Neubewertung unter Hinzuziehung sämtlicher vorhandener Quellen, insbesondere (aber nicht nur) des gesamten einschlägigen Materials aus dem Berliner Nachlaß.

Erst nachdem eine Sichtung dieses Nachlasses erfolgt ist und seine einzelnen Elemente in Beziehung auf das vorhandene Konvolut von Vorlesungen bezogen und dafür ausgewertet sind, wird die philosophische und theologische Forschung wirklich neue und verläßliche Fortschritte erzielen können.

Wir haben uns vorgenommen, in dieser Perspektive ein längerfristig angelegtes, gemeinsames Forschungsprojekt in Angriff zu nehmen, das in Zusammenarbeit mit und aufbauend auf die bevorstehende systematische Sichtung und Digitalisierung des Berliner Nachlasses teils editorisch-kritische Ziele in Bezug auf den vorhandenen Textbestand und teils philosophisch-theologische Absichten mit Blick auf das späteste System Schellings verfolgen möchte.

Das Forschungsprojekt könnte als ein dem primär editorischen und archivalischen Arbeitsauftrag der Schelling-Kommission assoziiertes Projekt in die langfristigen Planungen – auch was eine Fortsetzung der Kommissionsarbeit über das Jahr 2020 hinaus betrifft – aufgenommen werden. Im Format vergleichbar (wenn auch dem Umfang nach sehr viel kleiner) wäre somit das jetzt laufende inhaltlich-editorische Mischprojekt zu den Erlanger Vorlesungen unter Leitung von Prof. Hühn.

Ein entsprechender Drittmittelantrag auf Förderung könnte mit Unterstützung der Akademie vorbereitet und eingereicht werden. Bis zum Beginn der Förderung dürfte auch die erwähnte Digitalisierung des Berliner Nachlasses genügend weit vorangekommen, wenn nicht abgeschlossen sein.

Wissenschaftliche Teilaufgaben in Verbindung mit dem vorgenommen Projekt sind bspw.:

(A) Auf primär textkritischem und editorischem Feld:

  1. Sichtung und Beziehung allen noch verfügbaren Hintergrundmaterials auf die Textgestalt der einzelnen Vorlesungen.
  2. Darauf aufbauend die explizite kritisch-philologische Bewertung der einzelnen Vorlesungen und ihrer besonders sensiblen Angelpunkte.
  3. Vergleich und Sammlung der Abweichungen der spätesten Fassung der Philosophie der Mythologie und Offenbarung von der sog. ‚Urfassung’ aus der Münchner Zeit.
  4. Historische Rekonstruktion des Systemplans in seiner spätesten Gestalt und die zu ihm führende Entwicklungs- und Wendungsgeschichte (z.B.: Status der sog. ‚Berliner Einleitung’, die nach den bisherigen Forschungen von Müller-Bergen und Buchheim gar nicht zum System gehört).

(B) Auf primär philosophischem und theologischem Feld:

  1. Philosophische Explikation und Durchbuchstabierung der neuartigen, von Schelling entwickelten Systemstruktur des gesamten Denk- und Vernunftraumes, insbesondere der dabei fälligen methodischen Trennung der positiven von negativer Philosophie.
  2. Die Figur eines umfassenden positiven „Erweises“ anstelle dessen, was in der vorkantischen Tradition die Funktion der Gottesbeweise war.
  3. Die Spezifika von Schellings Umgang mit der Vielheit von Mythologien und der Pluralität der Religionen.
  4. Eigentümlichkeit und Begründung des von Schelling behaupteten ‚Zwangscharakters’ des mythologisch-religiösen Bewußtsein.
  5. Beschreibung des Konzepts der ‚Philosophischen Religion’ als Befreiung vom erwähnten 'Zwangscharakter'.