Praktische Philosophie
Die praktische Philosophie wird traditionellerweise von der theoretischen Philosophie und der Geschichte der Philosophie unterschieden. Sie eint das Interesse am Verständnis und der normativen Beurteilung menschlichen Handelns. Die praktische Philosophie unterteilt sich dabei in mehrere große Teilgebiete.
Das größte Teilgebiet ist die Ethik, die wissenschaftliche Untersuchung der Moral. Sie untergliedert sich in angewandte Ethik, normative Ethik und Metaethik. Die angewandte Ethik beschäftigt sich mit konkreten moralischen Fragen, etwa der Abtreibungsthematik, der Ethik künstlicher Intelligenz, oder der Migration. Sie umfasst viele Bereichsethiken, wie die Bioethik oder die Ethik der Technologie. Die normative Ethik untersucht die systematischen Zusammenhänge unserer konkreten moralischen Urteile. Sie stellt Theorien darüber auf, was eine moralische Handlung richtig oder falsch macht, etwa ob dies eine Frage der Konsequenzen der Handlung ist oder vielmehr damit zusammenhängt, dass wir es Personen schulden, sie nie als Mittel sondern immer nur als Zweck in sich zu behandeln. Die Metaethik schließlich befasst sich nicht mit Fragen innerhalb der Moral, sondern mit solchen über das Wesen der Moral. Sie fragt beispielsweise danach, ob es moralische Wahrheiten gibt, ob und wie wir diese erkennen können, oder ob unsere moralischen Aussagen überhaupt eine moralische Realität beschreiben und nicht vielmehr ein reiner Ausdruck unserer Gefühle sind.
Ein zweites Teilgebiet ist die Handlungstheorie. Diese erforscht das Phänomen absichtlichen menschlichen Handelns in seiner ganzen Breite. Die Handlungstheorie ist zum einen daran interessiert, wie sich unsere Erklärung von Handlungen mittels der Angabe von Gründen und Zielen in das Weltbild der Naturwissenschaften eingliedern lässt, welches durch Kausalbeziehungen dominiert wird. Hierbei gibt es große Berührungspunkte zur Theorie praktischer Gründe. Zum anderen untersucht die Handlungstheorie spezifischer, wie sich unsere Handlungen individuieren lassen und ob es so etwas wie basale Handlungen gibt, welche als Grundsteine komplexerer Handlungen figurieren und selbst nicht auf eine weitere Handlung zurückgeführt werden können. Schliesslich behandelt die Handlungstheorie verschiedene Fragen an Schnittstellen zu anderen Bereichen der Philosophie, etwa die Fragen nach der Willensfreiheit, der moralischen Verantwortung oder der Moralpsychologie. Das Verständnis von Handlungen ist zentral dafür, um zu beurteilen, ob eine Handlung einer Person zugeschrieben werden kann und sie deshalb zur Verantwortung gezogen werden oder gar legitimerweise bestraft werden kann. Die Handlungstheorie hat daher auch Berührungspunkte mit der Rechtsphilosophie.
Ein drittes Gebiet ist die politische Philosophie. Diese untersucht die normativen Voraussetzungen (im Gegensatz zu den empirischen Voraussetzungen, welche in der Politikwissenschaft und der Soziologie behandelt werden) unsere Zusammenlebens in einer Gesellschaft. Die politische Philosophie fragt einerseits nach dem Wesen des Politischen und dessen Beziehung zu anderen Bereichen, wie der Moral oder dem Recht. Sie beschäftigt sich weiterhin damit, wie politische Macht legitimiert werden kann und was Einzelpersonen der Gesellschaft schulden oder von ihr erwarten dürfen. Im Bereich des Staatswesens beschäftigt sie sich mit der Frage, welche Formen der Herrschaft normativ zu bevorzugen sind und wie sich diese am besten aufrechterhalten und weiterentwickeln lassen. Schliesslich beschäftigt sich die politische Philosophie auch mit konkreteren Fragen rund um das politische Zusammenleben, etwa Fragen der (sozialen) Gerechtigkeit, des privaten Glücks oder der sozialen Repräsentation von Minderheiten.
Ein viertes Gebiet stellt schließlich die Rationalitätstheorie dar. Dieses Teilgebiet der praktischen Philosophie fragt danach, wann Entscheidungen – sowohl die von einzelnen Individuen als auch die von Kollektiven wie bspw. des Bundestages oder eines Aufsichtsrates – rational sind. Hierfür greift die Rationalitätstheorie zum Teil auf formale Methoden zurück, wie sie auch in der Mathematik bzw. in den Wirtschaftswissenschaften Anwendung finden.
Die Universität München bietet ein breites Spektrum an Vorlesungen und Seminaren im Bereich der praktischen Philosophie.
Die Forschungsschwerpunkte des Lehrstuhls IV für Philosophie und politische Theorie liegen hauptsächlich in der politischen Philosophie (aktuell auf den Themen Gerechtigkeit, Kosmopolitismus und Ethik der Migration), der Rationalitätstheorie sowie der Metaethik (hier mit einem Schwerpunkt zum Realismus). Darüber hinaus erfolgen, wo thematisch geboten, Ausgriffe in die Philosophie des Geistes, die Sprachphilosophie und die Erkenntnistheorie.
Die Forschungsschwerpunkte des Lehrstuhls V für praktische Philosophie und Ethik liegen in der normativen Ethik, der Handlungstheorie und der Moralpsychologie, speziell in den Bereichen der Ethik personaler Beziehungen, der Autonomie und der Theorie der Normativität sowie der ganzen Bandbreite der Moralpsychologie (wie etwa zu Empathie, Vertrauen, Emotionen, und Selbsttäuschung).
Der Schwerpunkt für Praktische Philosophie wird weiter durch zwei weitere Einrichtungen verstärkt. Das Zentrum für Ethik und Philosophie in der Praxis (ZEPP) thematisiert als fakultätsübergreifende Forschungsinstitution ethische Fragestellungen in Forschung, Politik und Gesellschaft. Das Zentrum bietet ein eigenes Veranstaltungsprogramm an, welches sich auch an die Öffentlichkeit wendet.